SÜDKURIER / Stockach 02.03.2016

 

Bernhard Muffler eröffnet Seilermuseum in Stockach


Mit dem Seilermuseum in der Kirchhalde erfüllt sich Seilermeister Bernhard Muffler einen Traum

Seilermeister Bernhard Muffler sitzt im übertragenen Sinn auf Nägeln für die Hanfbearbeitung: Im Boden eingelassene Vitrinen sollen das Seilerhandwerk im Museum veranschaulichen. In dieser Vitrine sind es Hanfhecheln, ein Kamm für Seile. Seilermeister Bernhard Muffler sitzt im übertragenen Sinn auf Nägeln für die Hanfbearbeitung: Im Boden eingelassene Vitrinen sollen das Seilerhandwerk im Museum veranschaulichen. In dieser Vitrine sind es Hanfhecheln, ein Kamm für Seile. | Bild: Georg Becker

Vernünftig im wirtschaftlichen Sinne ist es nicht. Wie viel Geld er in das Seilermuseum in der Kirchhalde in Stockach steckt, will Bernhard Muffler (53) nicht sagen: „Damit das Geld wieder reinkommt, müsste ich wöchentlich eine Führung machen und 90 oder 100 Jahre alt werden.“ Das ist utopisch, zumal er seinen modernen Industriebetrieb im Gewerbegebiet Blumhof auch noch umtreiben muss. Es braucht neben Geld Idealismus und Hartnäckigkeit, um zuerst die Idee vom Café Seilerhaus umzusetzen und jetzt das Seilermuseum daneben zu stellen. Dafür hat Muffler seine zweite Leidenschaft, die Musik, hingegeben.

Er hat einen guten Partner gebraucht, um das Seilermuseum in der alten Werkstatt in der Kirchhalde so entstehen zu lassen, wie es sich der Seilermeister vorstellt: „Mir war die Geschichte der Familie wichtig und die Geschichte des Handwerks, das Museum soll eine lebendige Werkstatt werden.“ Diese konzeptionelle Unterstützung hat Muffler bei Michael Fuchs aus Radolfzell gefunden. Fuchs hat in der Region das Fasnachtsmuseum in Bad Dürrheim konzipiert und als Präsident dem Fasnachtsmuseum Langenstein mit neuen Ideen und neuer Gestaltung einen zeitgemäßen Anstrich verpasst. Das hat Muffler bei der Zusammenarbeit imponiert: „Bei ihm kommen zwei Eigenschaften zusammen, er ist Kunsthistoriker und Werbegrafiker.“

Für Fuchs lautete die Herausforderung: „Die Jahrhunderte alte Geschichte des Seilerhandwerks auf kleinem Raum unterzubringen.“ Genauer auf knapp 60 Quadratmeter. Fuchs hat dies mit überraschenden Ideen gelöst, so sind Vitrinen in den Boden eingelassenen. Sie zeigen Hanfhecheln oder die Seilschlagmaschine. Eine originale Muffler-Happle-Maschine, die Muffler in Tschechien besorgte: „Diese Maschine hat mein Großonkel Hermann Muffler zusammen mit Oswald Happle senior entwickelt und vertrieben.“

 


 

WOCHENBLATT 2. 03. 2016  

 

Ein rechter Bauch gehörte zum Handwerk

 

Stattliche Seiler, tüchtige Tüftler: Bernhard Muffler eröffnet sein Seilermuseum am 20. März

Stockach (sw). So ein Seilermeister war eine stattliche Erscheinung. Ein gewisser Bauchumfang war aber nicht nur eine Frage der Ästhetik und des persönlichen Schönheitsempfindens, sondern gehörte auch ganz pragmatisch zum Handwerk. Denn früher waren die Hanfpflanzen länger, und zum Spinnen eines Fadens musste sich der Meister den Hanf um den Bauch winden und ihn immer im Fluss halten. Dafür war eine gewisse Stärke in der Körpermitte unabdingbar. Heute geht es dank moderner Technik einfacher. Zum Glück für den gertenschlanken Bernhard Muffler, der diese Anekdote aus der Tradition seines Handwerks erzählt. Der Stockacher Seilermeister steckt voller Geschichten über die Tradition, die Herkunft und die Besonderheiten seines Metiers und eröffnet daher in seinen ehemaligen Geschäftsräumen an der Kirchhalde 1 ein Seilereimuseum. Zum verkaufsoffenen Sonntag am 20. März bietet er zwischen 13 und 18 Uhr kostenlose Rundgänge zum Kennenlernen an. Danach können sich Besucher online unter www.seilermuseum.de zu fixen Terminen für etwa einstündige Gruppenführungen mit zehn bis 20 Personen und einem anschließenden Essen im »Seilerhaus-Café« anmelden.

In einen sterilen Elfenbeinturm möchte Bernhard Muffler seine Gäste dabei nicht entführen: »Es ist ein lebendiges Museum«, erklärt er, das er mit Unterstützung des Kunsthistorikers Michael Fuchs nach etwa anderthalbjähriger Vorbereitungszeit eingerichtet hat. In dem 60 Quadratmeter großen Raum sind Maschinen aus verschiedenen Herstellungsepochen in den Boden eingelassen und über Glasvitrinen sichtbar. Da ist etwa das Nudel- oder Warbelgeschirr, das, 1253 bereits erwähnt, zum Drehen der Seile verwendet wurde. Und da ist die Hechelbank zur Aufbereitung des Hanfs. Ein Knochenjob, der zwar für Muskeln, aber auch für einen frühen Tod sorgte. Diese Seiler, so Bernhard Muffler, wurden auch wegen der starken Belastung der Lunge durch schädliche Stoffe kaum älter als 40 Jahre. Am Ende der Zeitleiste ist eine Seilschlagmaschine aus der Zeit um 1920 im Boden eingelassen. In Stockach produziert. Und wieder an den Ursprungsort zurückgekehrt.

Zur Entstehungsgeschichte lässt Bernhard Muffler Zeitzeugen zu Wort kommen, die via Tontechnik mit O-Tönen im Museum eingespielt werden. Hans Honold, 1929 geboren und 1936 nach Stockach gekommen, erzählt von seinen Kindheitserlebnissen in Verbindung mit der Seilerei Muffler, und Oswald Happle berichtet davon, wie sein Vater zusammen mit Hermann Muffler Maschinen zur Seilherstellung entwickelt, produziert und verkauft hat. Denn die Familiengeschichte ist Teil des Museums: 1879 hatten Adolf und Rosina Muffler den Betrieb in Sentenhart gegründet - der Chef war mit Seilen über Land gezogen und hatte sie an die Landwirte verkauft. 15 Kinder hatte das Ehepaar, und Sohn Hermann, der Großonkel von Bernhard Muffler, kaufte die damalige Seilerei Blank in der Kirchhalde und startete so die Stockacher Seilertradition. Die soll im Museum lebendig werden: »Es geht mir darum, altes Handwerk aufleben zu lassen«, erklärt Bernhard Muffler. Die moderne Zeit holt sich der 53-Jährige durch einen Film in das Museum herein, der am Ende der Führung ausgestrahlt wird und die Seilherstellung in der Gegenwart zeigt. So spannt er das Seil von der Zeit um 4.000 vor Christus, als ein in der Region aufgefundenes Seil aus Lindenbast entstanden ist, bis hin zur Gegenwart.